Initiativgruppe Ausbesserungswerk
c/o Walter Bitzer, Friedrichstraße 38, 77654 Offenburg, 07 81 / 9 19 53 50


Badische Zeitung vom Freitag, 21. Mai 2004

"Die Stadt gab den Hallen nie eine Chance"

BZ-INTERVIEW mit Walter Bitzer, Initiative Ausbesserungswerk

OFFENBURG. Fassungslos und enttäuscht haben die Mitglieder der "Initiativgruppe Ausbesserungswerk" auf die Nachricht vom bevorstehenden Abriss der denkmalgeschützten Bahnhallen reagiert. Seit mehr als fünf Jahren engagiert sich die rund 15-köpfige Gruppe aus Bahnfreunden, Architekten und Lehrern für den Erhalt der Hallen und eine Nutzung des Areals. Mehr als 3000 Unterschriften wurden dafür gesammelt. Mit der Stadt gab es erste Arbeitssitzungen für einen gemeinsamen Workshop. Mit Walter Bitzer, dem Motor der Initiative, sprach Helmut Seller über die neue Situation.

BZ: Herr Bitzer, der Gemeinderat hat einhellig den Weg für einen Abriss der Bahnhallen geebnet, damit Burda sein neues Druckzentrum bauen kann. Die Nachricht macht Ihr Engagement schlagartig zunichte. Was geht Ihnen durch den Kopf?

Bitzer: Das ist einfach demütigend und zeigt, dass gute Bürgerarbeit als Störung empfunden wird. Hier wird für mich schlichtweg Demokratie in Frage gestellt.

Solche Entscheidungen kann man nicht in Geheimsitzungen und mit einer Überrumpelungsstrategie treffen. Für mich ist das die größte Ohrfeige, die man als engagierter Bürger kriegen kann. Dies umso mehr, als wir ja bisher von der Stadt in konstruktive Gespräche eingebunden waren. Jetzt zeigt sich einmal mehr der Tunnelblick. Bürger sind einfach Störenfriede, und Experten von außen will man heraus halten. Das ist ein ganz unwürdiges Spiel.

BZ: Ist für Sie ein Traum zerplatzt?

Bitzer: Von Traum will ich gar nicht reden. Hier geht es doch um ein Stück Stadtgeschichte. Das ist einfach eine Frage der Kommunikation und des Umgangs miteinander. Ob Burda nur genau den Platz nutzen kann, auf dem die Hallen stehen, zweifle ich einfach an. Es geht hier doch auch darum, ob man mit etwas Fantasie die Flächen nicht ganz anders aufteilen kann.

BZ: Das Votum des Gemeinderats war eindeutig. Wie hätten Sie denn entschieden?

Bitzer: Ich hätte deutlich gemacht, dass es genügend Platz mit Gleisanschluss gibt. Eine Koexistenz von Burda und den Hallen ist doch denkbar und möglich.

BZ: Der baldige Abriss ist beschlossen. Burda drückt aufs Tempo. Sie glauben ernsthaft, dass Sie daran noch rütteln können?

Bitzer: Immer - und auch jetzt noch! Wir stoßen jetzt zwar an Grenzen, aber auch eine Tausendstel Chance ist noch eine Chance. Es gibt wesentlich intelligentere Lösungen, und die Bedeutung der Hallen ist immens.

BZ: Was können Sie noch tun?

Bitzer: Wir werden mit Burda und der Stadt das Gespräch suchen. Ich sehe die Chance, dass Burda in den Norden der ausgebrannten Tenderhalle geht. Auch wenn alle Parteien dem Abriss zugestimmt haben, werden wir die Entscheidung zum Wahlkampfthema machen. Man muss jeden einzelnen Stadtrat in die Verantwortung nehmen. Hier wird ein Stück Stadtgeschichte zerstört und etwas platt gemacht, was bundesweit als besterhaltenes Werk-Ensemble der Gründerzeit gilt. Daran ändern auch die Brandschäden nichts.

BZ: Burda wird mit wirtschaftlichen Zwängen argumentieren und sich wenig beeindrucken lassen.

Bitzer: Auch Burda steht in der Pflicht, das kulturelle Erbe zu erhalten und zu bewahren. Hier verrät Verleger Burda doch seine eigene Mutter. Sie erinnert in Offenburg mit einer alten Lok an ihren Vater der Lokomotivführer war, und sie hat mit uns das Gelände besucht und sich für einen Erhalt der Hallen eingesetzt. Burda hat uns schon mit schöner Architektur beglückt und kann hier zeigen, dass man nicht nur Wirtschaftsfaktor, sondern auch Träger von Kultur ist.

BZ: Was hat die Initiative denn an konkreten Lösungen für die Hallen erarbeitet?

Bitzer: Wir haben ein Konzept für ein Eisenbahnmuseum und die Erschließung der Richthalle 1 erarbeitet. Wir stehen in Kontakt mit dem Bahnpark Augsburg und haben einen Bahnpark Offenburg in der Planung, also ein lebendiges Museum mit Loks unter Dampf. Hier würde das Netz der Eisenbahnmuseen ergänzt. Offenburg hätte ein Alleinstellungsmerkmal. Bürgermeister Eckert und Hochbauchef Nufer waren begeistert von unseren Ideen. Wir stehen seit einem Vierteljahr auch in engem Kontakt Manufactum-Chef Thomas Hoof. Er sucht solches Ambiente wie im AW-Gelände und hält für seinen Versandhandel mit hochwertigen Industrieprodukten der Vergangenheit die Lage am Tor zu Frankreich für interessant. Aus solcher Wertschätzung kann man Wertschöpfung machen. Aber das Potenzial wird gar nicht erkannt. Die Stadt hat den Hallen nie eine echte Chance gegeben.


Das Ausbesserungswerk mit seinen lichtdurchfluteten Hallen und
der klar gegliederten Architektur gilt als eines der besterhaltenen Gebäudeensemble einer Werksanlage der Gründerzeit.

DAS AW DARF NICHT ABGRISSEN WERDEN!
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