Lärm-Gutachten wurde gestoppt

Strengere Kriterien gefährden Neubau des Gefängnisses

Von Dominik Thoma, Mitarbeiter der Badischen Zeitung

OFFENBURG. Für den anvisierten Standort des Gefängnis-Neubaus, die so genannte "Nordlösung", wurde entgegen anders lautenden Äußerungen von Bürgermeister Horst Kiefert ein lärmmedizinisches Gutachten in Auftrag gegeben. Dieses wurde jedoch "kurz vor der Fertigstellung" vom Finanzministerium storniert. Und zwar auf die Bitte von Landes-Justizministers Ulrich Goll. Unter bestimmten Umständen soll das gestoppte Gutachten aber doch fertig gestellt werden.

Hintergrund der Bitte Golls soll nach Angaben von Uwe Köhn, Sprecher des Finanzministeriums, das Gespräch zwischen Goll und Offenburgs OB Wolfgang Bruder am 5. März sein. Zur Erinnerung: Beide hatten sich bei Golls Besuch in Offenburg – auch anlässlich der bevorstehenden Landtagswahl – auf die Nordlösung geeinigt. "Die Belange des Lärmschutzes sind jetzt lösbar", sagte damals Offenburgs Rathauschef. Während Goll vormittags zunächst seine Bedenken geäußert hatte ("Wir können nicht einfach über den Lärmschutz für die Strafgefangenen hinwegsehen und eine Klage vor dem europäischen Gerichtshof riskieren"), sah er nachmittags die Gefahr ausgeräumt, "dass wir die Hälfte der Zellen wegen gesundheitlicher Lärmbelästigung nicht belegen können".

Nach diesem Gespräch wurde das lärmmedizinische Gutachten bei Manfred Spreng storniert – "kurz vor der Fertigstellung", so der Professor, der als einer der führenden Lärmmediziner in Deutschland gilt. Den Auftrag für dieses Gutachten, das im Gegensatz zum reinen Lärmgutachten die gesundheitlichen Auswirkungen auf den Menschen, also die Strafvollzugsbediensteten und die Gefängnisinsassen in den Vordergrund stellt, hatte das Stuttgarter Finanzministerium beziehungsweise das angeschlossene Staatliche Vermögens- und Hochbauamt in Freiburg gegeben.

Warum das Gutachten bei Professor Spreng kurzfristig, kurz vor der Fertigstellung, gestoppt worden ist, wollte gestern in Freiburg niemand beantworten. Im Justizministerium in Stuttgart hieß es lediglich: "Kein Kommentar". Auch bei der Stadt Offenburg war gestern niemand zu sprechen, der dazu hätte Stellung nehmen können. Offenburgs Baubürgermeister Horst Kiefert sprach jüngst davon, dass ein solches lärmmedizinisches Gutachten nie gemacht worden sei (BZ vom 30. Mai).

Der Sprecher des Finanzministeriums, das für den Gefängnisbau zuständig ist, führt Unstimmigkeiten zwischen den Ministerien ins Feld. Danach gebe es unterschiedliche Einschätzungen, welche Lärmschutzrichtlinie für den Gefängnis-Neubau anzuwenden ist, sagte gestern Köhn. "Wir sind der Ansicht, dass die TA Lärm zum Tragen kommen muss."

Diese Technische Anleitung berücksichtige auch die Spitzenwerte, die in der Nähe des Rangierbahnhofs gemessen wurden. "Wir wissen, dass an diesem Standort hohe Werte gemessen werden." Die Stadt Offenburg und Justizminister Goll favorisieren die weniger strenge Berechnung von Schallimmissionen nach DIN 18005. Diese Norm geht von Mittelwerten aus, Spitzenwerte werden dabei lediglich eingerechnet.

Für Professor Spreng sind beide Richtlinien "nicht optimal", weil es sich beim Bremslärm am Ablaufhügel des Rangierbahnhofs um spezielle Geräusche handle. Im übrigen würden die medizinischen Auswirkungen weder in der DIN 18005 noch in der TA Lärm beschrieben: "Das Gutachten wäre also über die Vorschriften hinaus gegangen."

"Wir neigen dazu, das lärmmedizinische Gutachten fertigstellen zu lassen, wenn die TA Lärm und nicht die DIN-Norm anzuwenden ist", stellt Uwe Köhn klar. Sein Ministerium könne nicht verantworten, dass ein Haftplatz (300 sind vorgesehen) die "Kosten eines Einfamilienhauses" verursacht. Zudem mache es "keinen Sinn, wenn wir etwas bauen, das uns leer geklagt wird. Das wäre Irrsinn". Eventuell, so Köhn werde das Gefängnis-Gebäude durch Lärmschutzmaßnahmen so teuer, dass es nicht mehr tragbar ist.


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