Chronologie der Ereignisse im Kampf um den
Erhalt eines einzigartigen Industriedenkmals
 

Lastprobefahrt von 01 1100 auf der Schwarzwaldbahn

Sind 100 Jahre alte Industriegebäude nur noch Bauschutt?
Ist Denkmalschutz überflüssig?

"Wenn die Römer so aufgeräumt hätten, würde an der Via Appia nichts mehr stehen"

(Architekturprofessor Roland Günter bei einer öffentlichen Veranstaltung der BI KDM in Offenburg)

Bereits im August 1972 endete die Ausbesserung von Dampflokomotiven im AW Offenburg. Aber das 150-jährige Bahnjubiläum in Deutschland brachte 1985 neue Aufträge für die Offenburger Dampflokspezialisten. Eines der Glanzstücke, die nach aufwendigen Arbeiten und viel Improvisationsgeschick der hochmotivierten Mitarbeiter die Hallen verließ, war die Schnellzug -Lokomotive 01 1100, hier auf der Lastprobefahrt in den Schwarzwald im Bahnhof Gengenbach die Überholung der FD 703 "Bodensee" abwartend.
 

Es wurde, was die Aktivitäten zur Rettung des AW betrifft, ein heißerer Sommer als der Jahrhundertsommer 2003. Und dennoch mussten alle Beteiligten der Initiativgruppe Ausbesserungswerk fassungslos den Abriss der Hallen und Nebengebäude im August 2004 miterleben. Das Kulturdenkmal mit seinem einmaligen Gebäudeensemble musste der Unkultur weichen. Die einstige Eisenbahnerstadt Offenburg verlor ihr Gesicht.



Ein Leserbrief in der Badischen Zeitung vom 22.05.2004 fasst die dramatischen Ereignisse und Verhandlungsergebnisse seit dem 17.05. zusammen.

Wo leben wir eigentlich?

Burda baut beim Bahnhof - und die alten Hallen des früheren Ausbesserungswerkes müssen weichen. Was Prof. Roland Günter aus Oberhausen, einem der Initiatoren für deren Erhalt, überhaupt nicht schmeckt.

Wo leben wir eigentlich? - In welcher Gesellschaft leben wir? In der Stadt Offenburg, in der einst die Demokratie ihre ersten Schritte machte, ist ein neuer Absolutismus entstanden - wie im 17. Jahrhundert. Der "Fürst" Burda winkt, und die gesamte Hofgesellschaft in Politik und Verwaltung liegt ihm total, das heißt einstimmig, zu Füßen. Hilfreich beim Wegwalzen eines Baudenkmals - als ob unwiederholbare Stadtgeschichte ein Nichts sei. Dieser Absolutismus ist rotzig und unzivilisiert. Er funktioniert wie eine Geheimgesellschaft - macht Nacht-und Nebel-Beschlüsse, will keine öffentliche Diskussion mehr. Die Abstimmungs-Quote erinnert an die DDR. Bürgerschaftliches Engagement von Jahren - wie viel Arbeit? - nicht gefragt, brüskiert, mit hartem Schlag vom Tisch gefegt. Es hätte eine intelligente Lösung geben können - aber dazu braucht man Haltung, Herz, Intelligenz und Kooperationsvermögen. Statt dessen: ein Desaster.

Wie soll man Vertrauen in den neuen "Fürsten" und bei der Wahl in all die Hofgesellschafts-Parteien haben? Absolutistische Verhältnisse aus der Zeit vor 1848. Blanke Archaik - mitten im Hightech. Auch dies wird in die Geschichte eingehen.

Prof. Roland Günter, Oberhausen
Vorsitzender Deutscher Werkbund NRW




11. und 22. Juni 2002: Im ehemaligen AW brennt es lichterloh

Zwei Hallen durch Brandstiftung zerstört!

Das Werkstofflager, vermietet unter anderem als Gemüsegroßhandel, brennt am 11. Juni nieder. Nur 11 Tage später steht die große Tenderrichthalle, als Lagerhalle genutzt, in Flammen. Selbst ein Großaufgebot an Feuerwehren kann den verheerenden Brand erst nach vielen Stunden eindämmen. Auch zwei Tage später, von der denkmalgeschützten Halle stehen nur noch die Umfassungsmauern, ist die Feuerwehr noch pausenlos im Einsatz, um Brandnester zu bekämpfen. Auf dem AW-Gelände sieht es aus wie im Krieg.

Mehr zum Brand siehe hier ...



6. Februar 2002: Nur das schallmedizinische Gutachten steht noch aus

OB Bruder: nur keine neue Standortdebatte!

Justizminister Goll möchte unbedingt durchsetzen, dass der 77 Mio Euro teuer Bau der JVA bis zum Frühjahr 2006 bezugsfertig sein soll - egal wo in Offenburg. Für den Offenburger OB Dr. Wolfgang Bruder darf es auf keinen Fall eine neue Standortdebatte geben, denn es war diesbezüglich schon genug Porzellan zerschlagen worden. Nachdem die Frage der Altlasten auf dem AW-Gelände untersucht worden ist, steht dem Bau dort fast nichts mehr im Wege - außer dem Ergebnis eines schallmedizinischen Gutachtens, auf dessen Erstellung Finanzminister Strathaus bestanden hat. OB Bruder kann sich nicht vorstellen, dass "für den Bau einer Justizvollzugsanstalt andere Immissionswerte anzuwenden sind, als bei Wohngebieten." Technische Veränderungen am Ablaufberg des Rangierbahnhofs Offenburg (Gleisbremsen usw. erzeugen hochfrequente Lärmspitzen) könnten das Problem vermindern.



7. Juni 2001: Lärm-Gutachten wurde gestoppt

Strengere Kriterien gefährden Neubau des Gefängnisses

Von Dominik Thoma, Mitarbeiter der Badische Zeitung

OFFENBURG. Für den anvisierten Standort des Gefängnis-Neubaus, die so genannte "Nordlösung", wurde entgegen anders lautenden Äußerungen von Bürgermeister Horst Kiefert ein lärmmedizinisches Gutachten in Auftrag gegeben. Dieses wurde jedoch "kurz vor der Fertigstellung" vom Finanzministerium storniert. Und zwar auf die Bitte von Landes-Justizministers Ulrich Goll. Unter bestimmten Umständen soll das gestoppte Gutachten aber doch fertig gestellt werden.

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30. Mai 2001: "Viel Lärm um das Gefängnis"

Ein Kommentar von Dominik Thoma, Mitarbeiter der Badische Zeitung

Die von vielen Seiten gefeierte Nordlösung steht vor dem Aus. Zu viele Fragen bleiben offen. Und offene Fragen kann sich niemand leisten, der bis zu 150 Millionen Mark in ein neues Gefängnis investiert. Deswegen hat Minister Goll im Zuge der AW-Debatte die Marschrichtung vorgegeben: Es kommt nur eine Lösung in Frage, die auch vor Gerichten standhält. Aber auch Lärmschutz ist einklagbar. Das weiß der Minister. Er hält aber trotzdem noch zur Nordlösung - auch weil offenkundig Druck aus dem Offenburger Rathaus kommt und das Wirrwarr um die Grenzwerte noch nicht aufgelöst ist.

Fakt ist: Der Gefängnis-Standort hängt an ein paar Dezibel und deren Bewertung. Warum gibt es bis heute kein lärmmedizinisches Gutachten? Nimmt man die Gesundheit sowohl der Strafvollzugsbediensteten als auch der Gefangenen ernst, ist ein solches unabdingbar - unabhängig von Streitereien um Grenzwerte. Hier geht es um Verantwortung. Die schieben sich die Stadt und die Ministerien in Stuttgart gegenseitig zu. Da würde es niemanden wundern, wenn bald wieder ein "klagefester" (Goll) Alternativ-Standort neu zur Debatte steht. Vor einem halben Jahr sprach Goll von "einer klaren Option auf den Holderstock".


 

05.03.2001 - Teil 1 der Rettungsaktion ist gelungen

Stadt - Land - Bahn: Einigung über den JVA-Neubau
- die Hallen bleiben erhalten!



5. März 2001: "Diese Hallen kann man nicht einfach abreißen"

Die Redakteure Jürgen Rohn und Andreas Möring vom Offenburger Tageblatt sprachen mit dem Architekten Gerhard Lehmann

"Der Offenburger Architekt Gerhard Lehmann ist, wie das Kulturforum zeigt, Spezialist für die planerische Aufarbeitung historischer Bausubstanz. Auch er räumt ein, dass die Hallen des Ausbesserungswerkes wertvollere Bausubstanz darstellen, als die Ihlenfeldbauten. Deshalb kann er auch nicht verstehen, dass die AW-Hallen einfach abgeräumt werden sollten, um einem Knast von der Stange Platz zu machen."
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21. Februar 2001 - Lärm stört Gefängnis nicht
Gutachten für AW-Gelände

von Peter Bomans, Redakteur der Badischen Zeitung

Das Gelände des Bahn-Ausbesserungswerks (AW) ist, was die Lärmbelastung betrifft, für den Neubau eines Gefängnisses geeignet. Ein Gutachten bezeichnet alle drei potenziellen Standorte auf dem Areal als nahezu gleich belastet.

Gegen den Lärm könnte ein Gefängnis mit technischen Mitteln geschützt werden, sagte Bürgermeister Horst Kiefert zu einer Anfrage von SPD-Stadtrat Jürgen Gießler. Demnach bleibt es beim Gefängnisbau auf dem AW-Gelände. Im Gespräch sind ein kompletter Abriss der alten AW-Hallen, ein Teilabriss sowie eine Verlagerung des Gefängnisses Richtung Norden, die einen Erhalt der Hallen ermöglichen würde. "Andere Standortüberlegungen werden nicht verfolgt", sagte Kiefert. Er würde es begrüßen, wenn die Hallen nicht der Abrissbirne zum Opfer fallen. Dies hänge nicht von der Stadt sondern von den Verhandlungen der Bahn mit dem Land ab. Die Bürgerinitative KulturDenkMal macht sich für die Hallen stark.

Behauptungen des Gewerkschaftsfunktionärs Günter Pfullendörfer, in Offenburg drohe der Verlust von Arbeitsplätzen als eine indirekte Folge eines nördlichen Gefängnisstandorts, widersprach Kiefert: "Es besteht keine Gefahr für Arbeitsplätze durch einen Gefängnisstandort." Eine eventuelle Verlagerung der Güterwagenwerkstatt in die Lokwerkstatt würde lediglich einige hunderttausend Mark kosten. Pfullendörfer hatte von vier Millionen Mark gesprochen. Die Zahl von 600 bedrohten Arbeitsplätzen, wenn sich die Bahn weiter aus Offenburg zurück ziehe, nannte Kiefert eine "Horrorvision". Zwar prüfe die Bahn, die Hälfte ihrer Güterbahnhöfe zu schließen. Aber, so Kiefert: "Der Rangierbahnhof Offenburg steht derzeit nicht in Rede." Möglicherweise treffe es Saarbrücken oder Ulm. Genaueres werde Ende Februar bekannt geben.



14. Dezember 2000 - Das AW-Glöckchen klingelt

Nicht nur am Informationsstand in der Offenburger Fußgängerzone wird den Passanten ins Gedächtnis gerufen, dass die AW-Frage weiter offen ist, sondern auch im Rahmen der Bürgersprechstunde meldet sich die Initiative KulturDenkMal bei Oberbürgermeister Dr. Bruder zu Wort: Ein Exemplar der eigens gefertigten AW-Glöckchen wird von Walter Bitzer mit der Mahnung überreicht, die Zukunft der historischen Gebäude des Ausbesserungswerks nicht leichtfertig zu verspielen. "Nutzen Sie die Weihnachtszeit zur Besinnung und machen Sie Ihre Hausaufgaben!" - mit diesen Worten wird das hell erklingende Geschenk übergeben.


10. September 2000 - Tag des offenen Denkmals

Ab 14.30 Uhr fanden auf dem Gelände des AW Führungen statt. An Informationsständen gab es für die Besucher ein vielfältiges Angebot: Gedrucktes über das Ausbesserungswerk Offenburg, den Umgang mit denkmalgeschützten Gebäuden, Geschichtliches, Gespräche usw.

Seite 5: Rundgang mit Fotos vom 10.09.2000


Bürgeranhörung am 18. Juli

140 Interessierte kamen zur Bürgeranhörung am 18. Juli 2000 in den Festsaal der Freien Waldorfschule Offenburg!

Eine hochrangige Vertretung der Stadt stellt den Stand der Dinge in bezug auf das Bauvorhaben JVA auf dem Gelände des AW Offenburg dar (Foto rechts):
OB Dr. Bruder, Bürgermeister Kiefert und Fachbereichsleiter Dr. Gresens.

Weiterhin saßen Verteter des Justiz- ministerums (MD Futter), der Ober- finanzdirektion (H. Siecheneder), der DB Imm GmbH (H. Sarbacher und H. Mayer) und schließlich H. Bitzer von der BI als Verfechter der Denkmalschutzinteressen auf dem Podium.

Bürgeranhörung am 18. Juli Die Fronten waren eindeutig: Die Stadtverwaltung hat nichts dagegen, dass sich Land und Bahn in einer fortgeschrittenen Phase der Verhand- lungen über den Grundstückverkauf einer Gesamtfläche von 10 ha für die Errichtung einer JVA unter Wegfall der denkmalgeschützten Gebäude der ehemaligen Awst der Bahn befinden. Durch die Diskussion um den Erhalt der Hallen und Werkstätten, zu denen viele Offenburger eine starke emotionale Bindung haben, so die Befürchtungen, könne die kontrovers geführte Standortdebatte wieder losgetreten werden. Von Justizministerium über die Deutsche Bahn Immobilien bis zur Stadt wurde daher "gemauert", wenn Fragestellungen zur Lage- oder Zuschnittsveränderung der zukünftigen JVA (am gleichen Standort) angesprochen wurden. Die Fragen zur Zufahrt und zur zusätzlichen Verkehrsbelastung, aber auch zum Wirtschaftsfaktor JVA, blieben eher Randthemen.

Die Veranstaltung blieb ingesamt sehr sachlich, das Resultat für unsere Interessen als Bürgerinitiative ist auf den ersten Blick eher ernüchtend. Nicht vergessen werden darf an dieser Stelle allerdings, dass der Rückhalt aus der Bevölkerung, dokumentiert durch eine Vielzahl von Unterschriften und Einsprüchen, sehr beachtlich ist.


31.07. bis 06.08.2000: Die Fraktionen des Offenburger Gemeinderats beschäftigen sich erneut intensiv mit der AW / JVA-Frage. Es kommt neuer Schwung in die Diskussion, die ein breites Presseecho findet. Die Woche endet mit der Aussage von Bürgermeister Kiefert, dass er sich für den Erhalt (zumindest eines Teils) der Hallen einsetzen werde.


Pressemeldungen der Stadt Offenburg (Quelle: www.offenburg.de)


Denkmalgeschütztes Bahnwärterhaus an der Schwarzwaldbahn Ein Musterbeispiel für den Umgang mit nicht mehr von der Bahn benötigten Gebäuden, die erhaltenswürdig sind, findet sich in Gengenbach: Das denkmalgeschützte Bahnwärterhaus von 1902 an der Schwarzwaldbahn sollte abgerissen werden, um Platz für stadtnahe KFZ-Parkplätze zu schaffen. Die Flößergilde Schwaibach gründete eine Stiftung zum Erhalt des Gebäudes, renovierte es und richtete dort das "Flößerei- und Verkehrsmuseum" Gengenbach ein.


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